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„Züchter sind Produktentwickler“ - Firmenbesichtigung der Nordsaat GmbH

Sichtlich beeindruckt zeigten sich Halberstadts Oberbürgermeister, Unternehmbürochef Thomas Rimpler, sowie die Vertreter des Finanzamtes Quedlinburg mit Gerhard Vullriede an der Spitze während einer gemeinsamen Besichtigung der Firma Nordsaat Saatzucht GmbH in Böhnshausen am 10. Juni.


Geschäftsführer Wolf von Rhade und Züchtungsleiterin Dr. Lissy Kuntze führten die Gäste durch das seit 1991 am Standort Böhnshausen angesiedelte Unternehmen, zu dem zwei weitere Zuchtstationen in Granskevitz auf der Insel Rügen und Gudow (Schleswig-Holstein) gehören. Insgesamt beschäftigt die Firma 110 Mitarbeiter in den Bereichen Züchtung, Landwirtschaft und Saatgutvermehrung, 54 davon in Böhnshausen. Auf den drei Zuchtstationen wird auf etwa 250 ha Zuchtgartenfläche an der Weiterentwicklung von Hochleistungssorten bei Winterweizen, Hybridweizen, Triticale, Winter- und Sommergerste sowie Hafer gearbeitet.

„Ertrag, Gesundheit, Qualität – unter diesen drei Säulen sind die Züchtungsergebnisse einzuordnen.“ So lautet der Firmengrundsatz für die Forschung, Entwicklung und Produktion von Züchtersaatgut, Vorstufensaatgut und Basissaatgut. Man benötigt etwa zehn Jahre für die Züchtung einer neuen Sorte. Bei einer anschließenden Wertprüfungszeit von drei Jahren und den dann folgenden Landessortenversuchen dauert es somit bis zur Bereitstellung einer Sorte für die Praxis ca. 15 Jahre, bevor es zu einer Refinanzierung kommt. Das heißt, ein sicherer finanzieller Vorlauf ist Voraussetzung. Die Entwicklung einer Sorte kostet je nach Fruchtart zwischen 1,5 bis 2,5 Millionen Euro. Die Herausforderungen für ein mittelständisches Unternehmen sind gigantisch. Aus diesem Grund spielt die Mitgliedschaft in der SAATEN-UNION eine bedeutende Rolle. Ca.77.000 Tonnen Saatgut von Nordsaat Sorten wurden im Vorjahr in Deutschland verkauft. Ca. 35% der Einnahmen regeneriert das Unternehmen heute aus dem internationalen Markt.

Die Nordsaat hat sich schon zeitig dafür entschieden, mit GPS Leitsystemen zu arbeiten. Die Züchter planen den gesamten Zuchtgarten auf dem Computer. Die Maschinen werden mit den Daten gefüttert und können somit quasi virtuell die Planungen im Feld umsetzen. Hierzu braucht es moderne Maschinen, Technik, Personal und Erfahrungen. So sind zum Beispiel Parameter wie Licht, Temperatur oder Luft in den vier kapitalintensiven Treibhäusern softwaregesteuert.

„Züchter sind Produktentwickler.“ Dieser Satz des Geschäftsführers Wolf von Rhade erschließt sich den Gästen der Firmenbesichtigung durch die fundierten und kenntnisreichen Ausführungen der Züchtungsleiterin Dr. Lissy Kuntze. Das, was sie über die aufwendigen Prozesse der Pflanzenzüchtung erzählt, ist für die „Nichtfachleute schwere Kost“, doch Dr. Lissy Kuntze besitzt die Fähigkeit, es dennoch verständlich zu erklären.

An den Parzellen der Testfelder, an denen die Firmenbesucher entlangfahren, stehen Schilder mit Namen wie SU Agendus, Tulus, Hyland, Hybred, Genius, Anisette oder Antonella. Dabei handelt es sich unter anderem um Sorten von Weizen, Gerste, Triticale oder Huybridweizen.

Die promovierte Pflanzenzüchterin, die seit 1998 Mitarbeiterin bei der Nordsaat ist, erklärt den Prozess der Pflanzenzüchtung Schritt für Schritt, von denen der erste die Kreuzung - die Schaffung der genetischen Variabilität - ist. Dabei unterstreicht sie: „Bei uns geht es um Biotechnologie, nicht um Gentechnologie. Wir machen keine gentechnologisch veränderte Versuche.“ Die Führung beginnt an den Treibhäusern sowie Vogelschutzhäuser, in denen 100.000 verschiedene Pflanzen bis zur Reife stehen. Hier wird ausschließlich händisch gearbeitet. Die Arbeit bedarf eines guten Auges und absoluter Genauigkeit der Mitarbeiter. Die reifen Ähren werden per Hand geschnitten und gedroschen und vorbereitet für die nächste Aussaat, den nächsten Selektionsschritt. Nach vier Jahren beginnt der eigentliche Selektionsprozess im Feld. Dafür greift das Unternehmen gern auf die Hilfe von Studenten und Schülern zurück, die dann mit Sack und Sichel im Einsatz sind, um alle positiv selektierten Stämme abzuschneiden. Von der Kreuzung, über die Selektionsentscheidung führt der Prozess zur Erhaltungszüchtung bis hin zur Leistungsprüfung – das sind die groben Eckpunkte.

Eine gute Sorte ist diejenige, bei der die Parameter für Ertrag, Qualität und Resistenz stimmen. „Unser Ziel ist es, Stämme zu züchten, die deutlich über 100 % im Ertrag zu den Standards liegen“, sagt Wolf von Rhade. Erfolgreich ist das Unternehmen zudem in der zukunftsweisenden Hybridweizenforschung. Damit ist die Nordsaat/SAATEN-UNION derzeit die einzige Firma die sich europaweit mit der Hybridweizenzüchtung beschäftigt. Alle anderen Unternehmen, die sich schon einmal damit befasst haben, sind ausgestiegen. „Wir haben langen Atem bewiesen, und wir haben daran geglaubt“, kommentiert von Rhade dieses Alleinstellungsmerkmal.

Positiv sei, so der Geschäftsführer, dass es einen europäischen Sortenschutz gibt. Ein Problem sieht er jedoch nach wie vor im von den Landwirten vielfach nicht gemeldeten Nachbau von Sorten und bedauert, dass es hierfür bisher noch keine ausreichenden gesetzlichen Regularien gibt, um dem Züchter einen durchgängigen Schutz des geistigen Eigentums zu garantieren. Denn nur der vollständige Schutz des geistigen Eigentums garantiert den ausreichenden Rückfluss von Lizenzen für die teure Neuentwicklung von Sorten, die für den Erfolg der Landwirte von großer Bedeutung sind.

Die Historie des Züchtungsunternehmens reicht bis in das Jahr 1910 zurück und ist auf die Gründung durch die Familie Karl von Schultz in Granskevitz (Insel Rügen) zurückzuführen. Kriegsfolgen führten nach 1945 zu einer Neugründung unter dem Namen Nordsaat Saatzucht GmbH in Waterneverstorf (Schleswig Holstein) und zu einer getrennten Entwicklung zweier Züchtungsbetriebe in Ost- und Westdeutschland. 1982 übernahm Wolf von Rhade die Geschäftsführung der Schleswig-Holsteiner Firma. Nach der Wende erwarb die Nordsaat ihr Stammhaus auf Rügen zurück.

„Wir müssen uns von der maritimen Lage entfernen, wenn wir für den Kontinent Europa arbeiten möchten“, war die Überlegung, die dazu führte, sich 1990 nach einem geeigneten Standort in Mitteldeutschland umzuschauen. Die Entscheidung zwischen Böhnshausen und Hadmersleben fiel für Böhnshausen – dem historischen Standort der Pflanzenzüchterfamilie Rimpau. „Die Menschen hier waren sehr erfahren, sehr gut ausgebildet und es gab eine gute Struktur, wenngleich viel zu reparieren war“, erinnert sich Wolf von Rhade. Die Nordsaat GmbH gehört zu den wenigen Unternehmen, die mit sehr großen Konsequenzen 1991 ihren Geschäftssitz mit ihrer gesamten Steuerkraft von West nach Ost verlagert haben. Eine Entscheidung, die sich aus heutiger Sicht betrachtet, als richtig erwiesen hat. „In einer großen Hauruck-Aktion sind wir mit allen Maschinen und fünf Mitarbeitern nach 1991 nach Böhnshausen gekommen“, schildert von Rhade die damalige Situation.

Von großem Vorteil erweist sich, dass die Nordsaat GmbH zusammen mit sechs weiteren mittelständischen Pflanzenzüchtern Gesellschafter der SAATEN-UNION ist. Für Wolf von Rhade stehen die Firmen für die Forschungssicherheit und die SAATEN-UNION für Vertrieb und Vermarktung. „Wir haben Verbindung zu 26 Ländern in Europa - wir arbeiten vom Atlantik bis zum Ural“, sagt er nicht ganz ohne Stolz.

Mehr Informationen unter www.Nordsaat.de


  • (von rechts) Züchtungsleiterin Dr. Lissy Kuntze, Nordsaat-Geschäftsführer Wolf von Rhade, Halberstadts Oberbürgermeister Andreas Henke, Quedlinburgs Finanzamtschef Gerhard Vullriede und Thomas Rimpler, Leiter des Unternehmerbüros der Stadt Halberstad