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„Wo Traditionen fehlen, hat man offenes Gelände“

Mit freundlicher Genehmigung der Volksstimme Harz | von Jörn Wegner

Halberstadt l Mit rund hundert Besuchern sowie Musik, Ansprachen und einem Spaziergang ist am Sonnabend im Kunsthof Halberstadts erste Biennale eröffnet worden. Unter dem Titel „Zeitgenössische Menagerie visueller Philosoph_innen“ kann bis zum 5. Oktober an zahlreichen Orten in der Stadt moderne Kunst entdeckt werden.

„Menagerie“ sei ja eigentlich ein irreführender Begriff, sagte Halberstadts Oberbürgermeister Andreas Henke (Linke). Tatsächlich müssten in Halberstadt die Besucher aber wandern. Denn es sind sechs über die Stadt verteilte Orte, an denen die Künstler ihre Werke ausstellen oder Performances präsentieren.

Michael Freitag, Leiter der Lyonel-Feininger-Galerie in Quedlinburg, erinnerte in seiner Rede an den Charakter Halberstadts als Kunststadt:

„Leben in der Harz-Region nur halb so viele Künstler wie zwischen Berlin-Weißensee und Charlottenburg? Die Antwort ist nein.“ Aber, fügte Freitag hinzu, „Provinz ist da, wo Provinzler leben“ - und die fänden sich in Berlin genauso wie in anderen Städten. „Wo Traditionen fehlen, hat man offenes Gelände“, ist eine der Schlossfolgerungen, die Freitag daraus zieht. Henke drückte es kürzer aus: „Warum nicht auch in Halberstadt?“, fragte der Oberbürgermeister und erntete dafür tosenden Applaus.

Zu den Eröffnungsgästen der Biennale gehörte auch Johannes Rieger. Der Intendant das Nordharzer Städtebundtheaters und Musikdirektor spielte zwei Stücke für Präpariertes Klavier. Vor allem für die Zuhörer eine Herausforderung, ist es doch schwer zu unterscheiden, wo die Vorbereitung aufhört und das eigentliche Konzert beginnt.

Ein etwa dreistündiger Spaziergang zu den Ausstellungsorten zeigte den Gästen schließlich die Vielfalt der Biennale:

In den Rathauspassagen geht ein expressiver Holz-Diogenes auf die Suche nach Menschen. Im Schraube-Museum sind verschwommene Fotografien der Londoner Docklands von Marsha Dunstan zu sehen, das Atelier FraSe baut Skulpturen aus Betonverschalungen. Ein Teil ragt im Schwimmbecken der Badeanstalt empor, ein anderes steht auf dem Kunsthof und wird von einem Besucher für einen Fahrradständer gehalten. In der städtischen Badeanstalt, dem beeindruckendsten Ort der Schau, gibt es eine Performance des Duos Upper Bleistein zu erleben. Der Transport von Wasser in Champignonkisten, die auf Schienen aus laminierten Zetteln gleiten, lockte zur Eröffnung sogar einige Besucher des Altstadtfestes an. Im Gebäudeinneren lassen sich Installationen zahlreicher Künstler aus Deutschland und Europa entdecken, darunter auch eine Videoinstallation des gebürtigen Halberstädters Alexander Kluge.

Bis zum Ende der Biennale am 5. Oktober wird die Volksstimme in loser Folge Ausstellungsorte und -stücke, Performances und Installationen der Künstler der Biennale vorstellen.