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Schiffstaufe auf dem Domplatz - Halberstädter restaurieren Faltboot-Oldies und laden zum Paddelcamp ein

Das Sektkorken auf dem Domplatz in Halberstadt knallen, mag an sich nichts Neues sein. Dass dort mit dem prickelnden Schaumwein weit ab von schiffbarem Gewässer acht Boote am Stück getauft werden, ist dagegen für die Kreisstadt eine Premiere. 


Von Jörg Endries
Halberstadt l Schiffstaufe in der guten Stube Halberstadts, dem Domplatz – das hat es in Halberstadt bisher noch nicht gegeben. Die Akteure am Mittwochvormittag: acht Boote vom Typ RZ 85, sieben der „Seefahrt“ verfallene Frauen und Männer – darunter ein Pfarrer, ein ehemaliger Kapitän, zwei Architekten und Punkt 12 Uhr das Domgeläut, das kurz nach dem Knallen des Sektkorkens wie bestellt plötzlich einsetzt. Eine beeindruckende Kulisse, die sich wohl jeder Schiffseigner zur Taufe seines Bootes wünscht.

„joe“, „luke“, „mac“, „petra“, „paula“, „martha“„ stefanie“ und „mr kuth“ sind zwar nicht mehr ganz taufrisch, doch die mehr als 25 Jahre alten Boote waren bisher mehr oder weniger offiziell namenlos. Um das Glück und das Wohl der Schiffe und ihrer Besatzungen besorgt, war das für das Team um Christoph Hallegger ein unhaltbarer Zustand, der vor dem geplanten Zuwasserlassen der kleinen Flotte aus Halberstadt an den Uckermärkischen Seen bei Lychen unbedingt abgestellt werden sollte.

Bei den Täuflingen handelt es sich um waschechte Oldies, die liebevoll vor dem sicheren Abwracken gerettet wurden. Daher zerschellte auch nicht eine Flasche Sekt an den Booten. Die Stoffhaut hätte sie auch nicht zum Bersten gebracht, die wäre nur beschädigt wurden. Daher zogen es die Taufgäste vor, mit dem prickelnden Schaumwein zur Feier des Tages anzustoßen. Meinhard Groothues, ehemaliger Fregattenkapitän, Kapitän der Handelsmarine und Presbyter der reformierten Liebfrauen-Gemeinde Halberstadt, lieferte den passenden Taufspruch: „Gott bewahr der Boote Schar vor allem Unglück und Gefahr, vor Bruch und Brand, vor Leck und Strand, vor bösen Mächten alle samt.“

Das Faltboot RZ 85 ist zu DDR-Zeiten produziert worden. Christoph Hallegger, der seit frühesten Kindertagen Paddelboot-Fan ist, hat acht dieser Faltboote vor einigen Jahren auf dem Dachboden des Gymnasiums Martineums gefunden. „Die Faltboote haben sich in einem furchtbaren Zustand befunden. Nach der Restaurierung waren es nur noch vier“, berichtete der Architekt. Vier weitere Boote hat er später dazu gekauft, so dass es wieder acht sind. „Das RZ 85 war nicht nur in der DDR begehrt. Es wurde auch sehr gut in den Westen verkauft. Etwa die Hälfte der Produktion“, erzählte Christoph Hallegger.

Übrigens, die Firma, die die Boote in der Nähe von Halle seit den 1950er Jahren erfolgreich baut, produziert die bei Wassersportlern begehrten Faltboote heute noch.
Pfarrer Friedrich Wegner, der die Boote taufte, bestätigte: „In die Restaurierung der ‚schrottreifen‘ Boote ist sehr viel Arbeit investiert worden. Toll, dass wir mit ihnen Jugendlichen die Schönheiten der Natur zeigen können.“ Die erste Probefahrt haben die Boote bereits 2014 während einer Paddeltour auf der Unstrut erfolgreich absolviert.

Die Truppe Wassersportbegeisterter um Christoph und Karin Hallegger, Meinhard Groothues, Friedrich und Uta Wegner, Uschi Hülsdell und Monika Kruse laden Jugendliche ab 16 Jahren zu einem Paddelcamp in der Zeit vom 11. bis 17. Juli ein. Das steht nicht nur angesichts der Boot-Oldies im Zeichen der Nostalgie. Die Zelte, in denen die Teilnehmer übernachten, sind genauso alt wie die Boote. Unterstützt wird das Vorhaben von der Liebfrauen-Gemeinde. „Einige Plätze sind noch zu vergeben“, sagt Friedrich Wagner.
Anmeldungen für Paddelcamp werden unter Telefon 0177/6336314 angenommen, die Teilnahmekosten betragen 100 Euro (inklusive Reise, Verpflegung und Paddelspaß)

„Die Faltboote haben sich in einem furchtbaren Zustand befunden. Nach der Restaurierung waren es nur noch vier.“
Christoph Hallegger, Architekt

 
„In die Restaurierung der ‚schrottreifen‘ Boote ist sehr viel Arbeit investiert worden.“
Friedrich Wegner, Pfarrer


Halberstädter Tageblatt, 18.06.2015


  • Premiere auf dem Domplatz (von links): Meinhard Groothues, Monika Kruse (verdeckt), Karin Hallegger, Uschi Hülsdell, Christoph Hallegger, Friedrich und Uta Wegner stoßen anlässlich der Schiffstaufe mit Sekt an. Foto: Jörg Endries