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Reuige Sünder und zurückgekehrte Bücher

Ende Januar erreichte ein gepolsterter dicker Briefumschlag auf dem Postweg das Gleimhaus. Groß war die Überraschung beim Öffnen: Die Sendung enthielt zwei Bücher aus dem 18. Jahrhundert. Ein beiliegender Zettel war unterschrieben von einem anonymen „reuigen Sünder“ und besagte, dass die Bücher aus der Bibliothek des Gleimhauses stammten. Die sofortige Recherche ergab, dass tatsächlich beide Bände einst Teil der Bibliothek von Johann Wilhelm Ludwig Gleim waren. Sie sind in der Liste der Kriegsverluste aufgeführt.

 


Die Sammlungen des Gleimhauses wurden während des Krieges in Kisten verpackt und an verschiedenen Orten in Halberstadt sowie in der näheren und ferneren Umgebung ausgelagert. Der größte Teil davon konnte vom damaligen Konservator des Gleimhauses, Dr. Carl Becker, nach Kriegsende unversehrt zurückgeholt werden. Derjenige Teil der Sammlungen, der in einem großen Kulturgutlager bei Bernburg untergebracht war, wurde nach Kriegsende als sogenanntes Beutegut von der Roten Armee beschlagnahmt, in die Sowjetunion verbracht und ist zum größten Teil bis heute verschollen. Sicherlich ging auch manche Kiste auf manchem Dachboden in den Nachbarortschaften Halberstadts verloren. Bekannt ist außerdem, dass mindestens eine Kiste in Badersleben aufgebrochen wurde. Stammen die nun dem Gleimhaus wieder zurückgegebenen Bücher vielleicht aus dieser Auslagerung? Genau festzustellen ist das nicht mehr, da die Auslagerungslisten nicht die Buchtitel oder Signaturen enthalten. Sichtbar ist aber, dass die Vorsatzblätter in beiden Büchern, die das Exlibris der Gleim‘schen Familienstiftung und damit den Besitznachweis trugen, herausgetrennt worden waren. Umso erfreulicher ist es, dass der „reuige Sünder“ reinen Tisch gemacht und diesen Schritt der Rückgabe unternommen hat. Vielleicht macht sein Beispiel Schule. Die beiden Bücher werden nun von der Liste der Kriegsverluste gestrichen und dem Bestand wieder eingegliedert. Sie sind in einem recht guten Zustand. Hoffentlich hat der „reuige Sünder“ sie wenigstens gelesen. Die Kriegsverluste des Gleimhauses sind dokumentiert in der Datenbank www.lostart.de .

© Jeannette Schroeder E-Mail

  • [(c): Gleimhaus Halberstadt]