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HomeBei dem Orgelstück ORGAN²/ASLSP (As Slow aS Possible) des amerikanischen Avantgardisten John
Cage, das in der Halberstädter Burchardi-Kirche 639 Jahre dauern soll, ist der 14. Klangwechsel im
20. Jahr dieses außergewöhnlichen Zeit-Kunstwerks in mehrfacher Hinsicht etwas ganz Besonderes.
Zum einen endet am 5. September 2020 der mit 6 Jahren und 11 Monaten längste ununterbrochene
Klang des ersten Teils, d.h. der ersten 71 Jahre des gesamten Stücks. Zu den seit dem 5. Oktober 2013
erklingenden fünf Pfeifen –
c‘(16‘), des‘(16‘), dis‘, ais‘ und e‘‘ – kommen zwei neue Pfeifen gis und e‘ hinzu. Den Klangwechsel unter der Leitung von Rainer O. Neugebauer vollziehen diesmal die Sopranistin Johanna Vargas (John-Cage-Preis für die Interpretation Neuer Musik 2018) und der Komponist Julian Lembke (John-Cage-Preis der Stadt Halberstadt 2009).
Vor fast sieben Jahren gab es große Zweifel, ob dieses Projekt überhaupt bis 2020 durchhält: In einer sich immer mehr beschleunigenden Welt, in der Aufmerksamkeit nur erringt, was sich im elektronischen Minutentakt als neu und sensationell verkauft, wurde dem stillen John-Cage-Orgel-Kunst-Projekt, mit seinem Mangel an Melodie und Rhythmus, wenig Zukunft zugesprochen. Die Halberstädter Cage- Enthusiasten aber vertrauten auf die Kraft eines großen Kunstwerkes und der Klang ist immer noch da. Zum anderen führte die stetig steigende Zahl der Besucher bei den vergangenen Klangwechseln dazu, dass – schon vor Corona – zum ersten Mal die Zahl der Besucher, die den Klangwechsel direkt in der Burchardi-Kirche miterleben können, aus Sicherheitsgründen beschränkt werden muss. Geplant war, die Hälfte der Plätze für einen freien Eintritt zu reservieren. Leider haben die Corona-Auflagen die Situation verschärft, so daß man zum Klangwechsel selbst nur mit einer Eintrittskarte (gegen eine Spende) in die Kirche kann. Nur wenige Karten sind noch verfügbar.
Für alle anderen Besucher wird es vor der Burchardi-Kirche eine Video-Außenübertragung geben und nach dem Klangwechsel die Möglichkeit, in kleineren Gruppen unter Beachtung der Abstands- und Hygieneregeln zur Cage-Orgel in die Kirche zu gehen.
Schließlich ist der Klangwechsel noch unter einem sehr profanen Gesichtspunkt ein ganz besonderer: Er ist nämlich im schlimmsten Falle einer der letzten Klangwechsel, weil dem Projekt demnächst das Geld ausgeht. Auch ein Projekt, in dem es eigentlich nur um Zeit und Luft geht, braucht eine grundlegende Finanzierung. Zur Zeit wird es ohne institutionelle Förderung rein ehrenamtlich betrieben. Es ist allein durch die Stifter von Klangjahren (die bald alle vergeben sind), sonstige Spenden und private Eigenmittel finanziert worden. In den letzten 20 Jahren wurden so fast eine Million Euro eingeworben und aufgebracht. Dieses Spendenaufkommen geht leider – trotz oder wegen der immer größer Bekanntheit unseres Projektes (die EnthusiastInnen habe sich alle schon finanziell engagiert) – seit einiger Zeit kontinuierlich zurück. Deshalb soll dieser Klangwechsel auch dazu benutzt werden, auf die ungesicherte Zukunft dieses Jahrhunderteprojektes hinzuweisen.
Für den 5. September 2020 ist folgender Ablauf geplant:
ab 10:00 Uhr Einlass am Hoftor zum Burchardi-Kloster
11:00 Uhr Ausstellungseröffnung mit Werken von John Cage, Alvin Curran, Gerhard Rühm und Dieter Schnebel (nur für akkreditierte Medien und geladene Gäste)
ab 11:30 Kleines Infoprogramm auf der Bühne vor der Kirche
13:00 Pressekonferenz im Cage-Haus (ca. 1 Stunde, nur für akkreditierte Medien)
ab 14:15 Einlass mit Spenderticket in die Kirche
ab 14:30 Informationen und Einleitung zum Klangwechsel, anschließend Beginn der Außenübertragung des Klangwechsels
ab 15:00 Klangwechsel durch Johanna Vargas, Sopranistin (John-Cage-Preis für die Interpretation
Neuer Musik 2018) und Julian Lembke, Komponist (John-Cage-Preis der Stadt Halberstadt 2009). Leitung: Rainer O. Neugebauer
ab 16:30 Öffnung der Kirche für alle (Gruppenweise unter Beachtung der Abstands- und Hygieneregeln)
ab 16:45 Besucher mit Spenderticket können in kleinen Gruppen die Ausstellungen im Cage-Haus besuchen
19:00 Konzert im Dom zu Halberstadt: Ruhe, Renaissance, Cage mit Marc Lingk, Koos van de Linde und C.-E. Heinrich
Der Künstler Marc Lingk erinnert sich an Cage...
"Der Geist von John Cage war in meiner Studienzeit immer präsent. Persönlich habe ich ihn nur ein einziges mal erleben können, in einer zweistündigen "Vorlesung" auf der Wiese des Garten der Hochschule der Künste in Berlin. Es muss im Sommer 1990 oder 1991 gewesen sein. Cage erfreute sich daran, dass er in Berlin so gute Gelegenheiten hatte, seine grafischen Werke in aller Ruhe und ganz nach seinen Wünschen drucken zu lassen - soweit ich mich erinnere, war es das Künstlerhaus Bethanien in Kreuzberg, das ihm diese Unterstützung gab. Ansonsten kann ich mich an praktisch kein einziges Detail der Sitzung erinnern. Aber die Grundstimmung ist mir unvergessen: Das Lächeln von Cage ist wirklich legendär, er scheint wirklich alles mit Leichtigkeit genommen zu haben."
Im Cage-Haus sind folgende Ausstellungen zu sehen:
RONALD GÖTTEL – 20 JAHRE KLANGWECHSEL Photographien, Dauerausstellung
RAUM FÜR CAGE Dauerausstellung mit Werken internationaler Künstlerinnen und Künstler u. a. von Mary Bauermeister, Uwe Bressnik, Angélica Castelló, Julius Deutschbauer, Arnold Dreyblatt, Achim Freyer, Sabine Groschup, Pierre Hébert, Barbara Klemm, Alexander Kluge / Gerhard Richter, Kalle Aldis Laar, Roberto Paci Daló, Maurice van Tellingen, Kris Vleeschouwer (Konzept und Neuhängung: Georg Weckwerth)
CAGE • CURRAN • RÜHM • SCHNEBEL drawing // installing // writing // composing
Sonderausstellung bis zum 6.12.2020 mit Werken von John Cage Zyklus „Zen Ox-Herding Pictures“ (Leihgabe Ray Kass, Christiansburg, VA); Alvin Curran „Gardening with John 1.3“ (Neufassung der raumgreifenden Klanginstallation für Halberstadt); Gerhard Rühm Grafische Meditationen und Visuelle Musik (Leihgaben des Künstlers); Dieter Schnebel Collagen, Notationen, Zeichnungen, Notizen (Erstpräsentation Leihgaben Bettina Hartmann / Andreas Schnebel); Kurator Georg Weckwerth
Im Rahmen des Klangwechsels veranstaltet die John-Cage-Orgel-Stiftung den zweijährlich stattfindenden MEISTERKURS INTERPRETATION ZEITGENÖSSISCHER MUSIK, diesmal für Stimme mit Sarah Maria Sun, mit folgenden öffentlichen Veranstaltungen im Cage-Haus:
15.09.2020, 19 Uhr Konzert mit Sarah Maria Sun, Akiko Okabe und Christoph Ogiermann, im Anschluss: Podiumsdiskussion „Angst und Ausdruck“ mit Sarah Maria Sun, Christoph Ogiermann, Akiko Okabe, Johannes Rieger, N.N. Moderation: Ute Schalz-Laurenze
20.09.2020, 11 Uhr Wettbewerbskonzert und Verleihung des John-Cage-Preises
Die John-Cage-Orgel-Stiftung Halberstadt bedankt sich bei dem Förderverein für das John-Cage-Orgel-Kunst-Projekt und den Sponsoren des Klangwechsels 2020:
der Karin und Uwe Hollweg Stiftung, dem Land Sachsen-Anhalt, Lotto Sachsen-Anhalt, der Harzsparkasse und TONSPUR Wien.
Besonderer Dank gilt auch allen Stiftern, Unterstützern und ehrenamtlichen Helfern, die in den letzten 20 Jahren das John-Cage-Orgel-Kunst-Projekt durch finanzielle und tatkräftige Hilfe möglich gemacht haben.
Bildunterschrift:
Prof. Dr. Rainer Neugebauer vom Cage-Kuratorium zeigt in der Partitur auf die beiden neuen Töne, die am 5. September dazukommen.
(Foto: John-Cage-Orgel-Stiftung)
Symbol | Beschreibung | Größe |
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Klangwechsel John-Cage-Orgel-Kunst-Projekt Halberstadt [(c) John-Cage-Orgel-Kunst-Projekt Halberstadt, R. Neugebauer] (c) John-Cage-Orgel-Kunst-Projekt Halberstadt, R. Neugebauer |
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