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Künstler, Politiker, Freund, Familienmensch

80 Jahre alt würde Johann- PeterHinz heute werden. Anlass, dem Wirkendes 2007 verstorbenen Wendeaktivisten (Neues Forum), Stadtratspräsidenten und Künstlers nachzuspüren und Wegbegleiter zu Wort kommenzulassen.

Johann-Peter Hinz in einem Satz beschreiben? Ludwig Hoffmann zögert. „Das ist schwierig“, sagt der langjährige Oberbürgermeister Wernigerodes (SPD). Wie soll er das, bei einem Menschen, der so facettenreich war in seiner Persönlichkeit und in seinem Wirken?

Und dann sagt Hoffmann:


„Bescheiden, sehr kreativ, ein sehr humanes Menschenbild und damit verbunden ein großer Demokrat.“ Der Wernigeröder Hoffmann und der Halberstädter Hinz, beide „Taugetreckte“, Zugezogene, wie man mundartlich sagt. Der eine aus der Gemeinde Alt Schwerin, der andere nach dem Krieg in den Harz gekommen, als seine Eltern das heute polnische Kolberg verlassen mussten. Beide Männer sind zu DDR-Zeiten in der evangelischen Kirche aktiv, hier begegnen sie sich „verschiedentlich“, wie sich Hoffmann erinnert.

Lange bevor kommunalpolitisches Engagement sie wieder auf eine Handlungsebene führt. Hinz habe ihn immer auch als Künstler beeindruckt, sagt Hoffmann, der sich im Freundeskreis Johann-Peter Hinz engagiert.

Der Verein hatte 2011 eine Ausstellung im Herrenhaus des Burchardiklosters auf die Beine gestellt, die einen kleinen Ausschnitt aus seinem künstlerischen Schaffen präsentierte. „Respekt“, so lautete der Titel der kleinen Werkschau. Respekt, das bezieht sich nicht nur auf die künstlerische Leistung des Mannes, der als Metallgestalter von vielen Bildhauern ein bisschen abschätzig betrachtet wurde. War figürliches Arbeiten doch nicht Teil des Studiums am Fachbereich Metallgestaltung an der Burg Giebichenstein in Halle. Vielleicht auch ein Grund dafür, warum es über sein umfangreiches Werk noch keinen Katalog gib.

Hinz näherte sich der Kunst so, wie er sich zeitlebens den Menschen näherte:
respektvoll, liebevoll, auf die angenehme Art neugierig, mitfühlend, aber immer mit eigener klarer Haltung.

Der gelernte Betonbauer, der vor seinem Studium auch noch eine Ausbildung als Kunstschmied und Bauschlosser absolvierte, arbeitete gern mit seinen Händen. Wohl auch ein Grund, warum er leicht Zugang den sogenannten „einfachen Menschen“ fand. Er sprach ihre Sprache, kannte ihre Welt.

So, wie er auch beeindruckende Reden halten konnte, tiefgründig, philosophisch. Aber er machte sich nicht auf plumpe Art gemein, sondern blieb authentisch, seiner eigenen Person treu. Er habe sich immer klar abgegrenzt gegen diktatorische Bestrebungen, gegen unterdrückenden Umgang mit anderen, sagt Ludwig Hoffmann.

Ein Bild, das auch Daniel Priese bewahrt. Er ist ein Neffe des Mannes, der 2007 starb, nach jahrelangem Wachkoma. Die Ausübung von Macht als Ausnutzen einer vorteilhaften Situation, als Zeichen von Überlegenheit hat Johann-Peter Hinz in vielen Facetten betrachtet, politisch wie zwischenmenschlich, das spiegelt sich in seiner Kunst durchaus wieder, sagt Daniel Priese.
Dass auch er Künstler ist, es liegt wohl in der Familie Hinz/Weihe/Preise. Die Kunst ist schlicht allgegenwärtig im Leben dieser Familien, ebenso wie die Kunstgeschichte und die Geschichte. Vielleicht auch, weil sie so viele Beispiele unmenschlichen Menschen seins dokumentiert. Von daher ist es sicher kein Zufall, dass der Pfarrerssohn sich nicht nur für einen menschlichen Umgang miteinander einsetzte, sondern auch für die Bewahrung von Geschichte.

Er versuchte schon in den 1970er Jahren, Fachwerk zu retten, wie sich Hans-Hermann Richter erinnert.
Der heute in Huy-Neinstedt lebende Maler lernte Hinz bei der Aufnahmeprüfung für die Kunsthochschule in Halle kennen, als Kommilitonen begegneten sie sich im Studium eher sporadisch. Erst als Richter dem Ruf von  Horst Scholke folgte, der unter anderem auch Ute Scheffler und Klaus Herre nach Halberstadt lockte mit demVersprechen, es gäbe Aufträge, Ateliers
und Wohnraum, lernte er Johann-Peter Hinz besser kennen.

Die Pfeffermühle sollte dass neue Domizil der jungen Künstler werden. Doch das mussten sie erstmal herrichten. Und dann, erinnert sich Richter, gab es die Idee, am Grudenberg ein altes Fachwerkhaus zu nutzen. Rainer Schöne hätte damals einen Plan, der Hinz sofort reizte, war der doch der Altstadt sehr verbunden, setzte sich für den Erhalt der Fachwerkhäuser ein. Keramikund Schnmuckgestalterwerkstätten, ein Laden, unterm Dach ein Maleratelier, perfekt.

Doch es kam anders. Das Haus sei zu marode, hier werde man nicht arbeiten, beschied der beauftragte Bautrupp. Johann- Peter Hinz kämpfte um das Baudenkmal, steckte Eisenstäbe rund ums Grundstück, spannte Flatterband. Ein Engagement, dass nicht gern gesehen war bei der Obrigkeit. Wenig später wurde das Haus über Nacht abgerissen, erinnert sich
Richter. Noch heute klafft die Baulücke am Grudenberg.

Richter schätzte die Gespräche mit Hinz, die Alltägliches umfassten ebenso wie die politische Lage. Er verfolgte, wie sich Johann Peter Hinz mehr und mehr engagierte, das Neue Forum mitbegründete. Die Martinikirche wurde Kunstort und Ort des Protestes, Er hatte wesentlichen Einfluss auf das, was heute Wendeherbst heißt.

„Halberstadt ohne die Figur Johann-Peter Hinz in den Vorwende-, Wende- und Nachwendejahren wäre nicht in der Form und dem Ergebnis nach das Halberstadt, das wir heute erleben dürfen“, sagt Wilhelm Rimpau. Der Berliner fasst die Entwicklung des zweifachen Vaters in den Satz: „Der Metallgestalter und Künstler wurde zum Politiker, weil er zuhören, verstehen, vermitteln, lenken, anstecken und verantworten konnte.“

Nicht nur in Halberstadt findet sich Kunst dieses Mannes, der 1992 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet und 2001 zum Ehrenbürger ernannt wurde. Das hat ihn gefreut, aber er sah nie sich selbst im Fokus, sondern das gemeinsame Tun, die gemeinsame Verantwortung.

Er war ein Mann, der verbinden konnte, ausgleichend wirken, motivieren und nachdenklich stimmen. Sein politisches Wirken als Ratspräsident ließ ihm wenig Zeit für sein künstlerisches Arbeiten. Und als er sich diesem wieder mit großer Hingabe zu widmen begann, ließe ihm das Schicksal keine Zeit mehr. So bleibt neben der Kunst die Erinnerung, auch in Formdes das Cage-Projekts, das er mit nach Halberstadt holte, ebenso wie die Moses-Mendelssohn-Akademie, sein Einsatz für den Erhalt der Gedenkstätte Langenstein-Zwieberge, sein Bemühen um Entschädigung für ehemalige Zwangsarbeiter, sein Einsatz, die ehemaligen Halberstädter Juden mit der Ehrenbürgerschaft zu würdigen und und und ...

Sabine Scholz, mit freundlicher Genehmigung der Halberstädter Volksstimme, 18.03.2021

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