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Judith Biran: „Wir haben damals nie geglaubt, dass wir uns niemals wieder sehen werden.“ – Gedenken an den Steinen der Erinnerung

„Am 12. April vor 70 Jahren um ¾ 5 mussten sich 102 jüdische Männer, Frauen und Kinder, aus Halberstadt und umliegenden Orten, an diesem Platz vor dem Einwohnermeldeamt einfinden.


Sie wurden registriert, mussten ihr Hab und Gut abgeben. Sie haben in Halberstadt ihre Heimat, ihr Zuhause, ihr Leben zurückgelassen. Nicht still und heimlich , sondern in aller Öffentlichkeit, wurden sie zum Bahnhof geführt nach Magdeburg transportiert und von dort am 14. April mit dem großen Transport mit anderen weiter transportiert ins Warschauer Ghetto. Hier verliert sich ihr Weg. Lassen Sie uns schweigend gedenken!“

So lauteten die einführenden Worte von Bettina Oelmann im Namen der Mitglieder des Vereins zur Bewahrung jüdischen Erbes in Halberstadt, der am Donnerstagnachmittag zu der Gedenkveranstaltung an den „Steinen der Erinnerung“ vor dem Domportal eingeladen hatte.

Siegrid Hofmann, Lehrerin an der Grundschule „Miriam Lundner“ - der Name dieses jüdischen Mädchens aus Halberstadt ist auf einem der „Steine der Erinnerung“ zu lesen - erzählte sehr eindrücklich über ein Einzelschicksal einer jüdischen Familie aus Halberstadt, welches Leid der Wahn des Nationalsozialismus über Millionen Menschen gebracht hat:

„Auch Frau Chana Rosenblum befand sich unter den Deportierten“, begann sie ihre Ausführungen. „In der kürzlich in Israel wieder aufgefundenen Liste der Deportierten vom 14. April 1942 ab Magdeburg wird mit der laufenden Nr.177 aufgeführt: Chana Rosenblum , geb. Mrevka , geb. am 15.05.1896 in Sawiercze, Familienstand verheiratet, letzte Wohnanschrift Westendorf 15. Ihren Kindern Sara, Thea und Josef gelang die Flucht. Dennoch, die Tochter Sara konnte nie verwinden, dass es nicht gelungen war, auch die Mutter Chana zu retten. Dies führte bei Sara Rosenblum zu psychischen Problemen letztendlich zur völligen Verwirrung. Um auf diese Folge-Wirkungen der Verfolgung der Juden aufmerksam zu machen, bat Saras Mann, Esriel Singer, auf der Fotowand des Berend Lehmann Museums mit den Fotos der Familie Rosenblum auch ein Porträt seiner Frau im Zustand der geistigen Verwirrung zu zeigen. Diesem Wunsch ist Folge geleistet.“

Judith Biran, geboren 1921 in Halberstadt, lebt seit mehr als sieben Jahrzehnten in Tel Aviv, doch die Gedanken an die Heimat ließen sie nie richtig los. Sie hat überlebt, auch ihre fünf Geschwister. Sie war eine der ersten, die nach der Wende von der neuen in die alte Heimat reiste. Seitdem besucht Judith Biran mindestens einmal im Jahr Halberstadt.

Auch am 12. April 2012 war sie in der Domstadt und gedachte am Donnerstagnachmittag ihrer jüdischen Mitmenschen an den „Steinen der Erinnerung“.

Judith Biran kannte die Rosenblums, noch heute hat sie Kontakt zu Thea und Sara. Sichtlich berührt sagte sie: „Wir haben damals nie geglaubt, dass wir uns niemals wieder sehen werden.“ Diese Stunde des Gedenkens löse in ihr sehr viel Leid aus, und dennoch: „Wenn ich die Namen alle höre, geht es mir gut“, sagt die kleine, freundliche Frau, die vor wenigen Wochen 91. Jahre alt geworden war. Ihr ist, als wäre es gestern gewesen, alle Erinnerungen seien sehr präsent. Sie sei mit Sara Rosenblum in eine Klasse gegangen, ihr Bruder mit Thea. Auch an die Mutter Chana Rosenblum könne sie sich sehr gut erinnern, sie habe an der jüdischen Schule in Halberstadt gearbeitet.

Judith Biran fand es sehr richtig und gut, dass der Verein zur Bewahrung jüdischen Erbes in Halberstadt ein Einzelschicksal ausgewählt und dieses in den Mittelpunkt der Gedenkveranstaltung gestellt hatte.

Mit einem hebräischen Lied endete die Gedenkveranstaltung, die musikalisch durch die „Freunde des Singens“ aus der Chorgemeinschaft Halberstadt e.V. unter der Leitung von Kerstin Kwoizalla begleitet worden ist.

  • 12. April 2012 an den „Steinen der Erinnerung“ - Gedenken an die  im Jahr 1942 deportierten Halberstädter Juden.
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