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Intendant des Nordharzer Städtebundtheaters schreibt offenen Brief zum Thema „Theater auf dem Land“ - Empfängerin ist Halles Oberbürgermeisterin

Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin Szabados,

mit großem Befremden habe ich in der Volksstimme vom 15.11.2011 die Ihnen zugeschriebenen Äußerungen zum Thema „Theater auf dem Land“ zur Kenntnis nehmen müssen.

Falls Sie nicht korrekt zitiert sein sollten, sind meine nachfolgenden Ausführungen selbstverständlich gegenstandslos, allerdings möchte ich Sie dann jedoch im Namen unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der gut 100.000 Theaterbesucher pro Jahr dringend um eine öffentliche Klarstellung bitten.

Sollten Sie aber tatsächlich dem ländlichen Raum zwar gönnerhaft Laienchöre zugestehen, das Recht auf ein eigenes Theater jedoch absprechen wollen, wäre dies ein Schlag ins Gesicht der über 14.000 Menschen, die gerade mit ihrer Unterschrift für den Erhalt des Nordharzer Städtebundtheaters kämpfen sowie durch den Erwerb von Kulturaktien auch finanziell für das Haus einstehen.
Sicher hat es Ihr Terminkalender bislang noch nicht erlaubt, unser Haus zu besuchen, weshalb ich einige Stichpunkte aufführen möchte:

- In dieser Saison feiern wir 200 Jahre Theater in Halberstadt und 20 Jahre Nordharzer Städtebundtheater.
- Das Theater in Halberstadt hat seit Beginn des 20. Jahrhunderts z.B. eine beeindruckende Wagner-Tradition, weltberühmte Künstler wie Gustav Gründgens und Theo Lingen waren hier engagiert.
- Pro Jahr besuchen uns 27.000 Kinder und Jugendliche, wodurch wir auch unter bildungspolitischen Aspekten unsere Unverzichtbarkeit unter Beweis stellen.
- Durch zahlreiche Gastspiele, namentlich des Musiktheaters, erfüllen wir im ganzen Land Sachsen-Anhalt einen wichtigen kulturpolitischen Auftrag.
Leider hat die Veröffentlichung einer fiktiven Durchschnittssumme der Theaterkartenbezuschussung ein für unser Haus völlig falsches Bild ergeben: Von einer Bezuschussung von 117,88 € pro Karte würden wir nicht einmal zu träumen wagen. Für wenig mehr als die Hälfte versorgen wir den größten und bevölkerungsreichsten Landkreis (übrigens auch die touristisch wichtigste Region des Landes) mit einem qualitätsvollen Drei-Sparten-Theater. Ganz aktuell konnten Sie dazu das Urteil der Fachpresse über unsere Premiere von LOHENGRIN verfolgen.

Generell scheint es mir der falsche Weg, zu kulturellem Kannibalismus aufzurufen, wenn eigentlich die Suche nach zukunftsfähigen Optimierungen am jeweiligen Standort angezeigt wäre.
Gerne würde ich Sie einmal im Nordharzer Städtebundtheater begrüßen, damit Sie sich ein eigenes Bild von der Leistungsbereitschaft und dem Herzblut der Künstlerinnen und Künstler unseres Hauses machen können.

Mit freundlichen Grüßen

Johannes Rieger
Intendant

 


  • Volksstimme vom 15.November 2011