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Berühmte Lyrikerin tot - Sarah Kirsch verlebte Kindheit und Jugend in Halberstadt

Wie erst jetzt bekannt wurde, ist die Dichterin Sarah Kirsch bereits am 5. Mai im Alter von 78 Jahren nach kurzer schwerer Krankheit in Heide (Holstein) gestorben.

Als Ingrid Bernstein 1935 im Pfarrhaus von Limlingerode, einem kleinen Ort im Südharz, geboren, zog sie mit ihrer Familie ein Jahr später nach Halberstadt, wo sie aufwuchs, die verheerende Bombardierung der Stadt erlebte und die Mädchenoberschule besuchte, die später in Käthe-Kollwitz-Schule umbenannt wurde. Als Schülerin sang die Tochter eines Fernmeldemechanikers eifrig im Schulchor mit. Nach dem Abitur in der alten Bischofsstadt arbeitete sie in einer Zuckerfabrik, begann eine Forstarbeiterlehre, die sie später abbrach, und studierte von 1954 bis 1958 Biologie in Halle.

Ende der 1950-er Jahre nahm sie Kontakt zur„Arbeitsgemeinschaft junger Autoren“ in Halle auf und entdeckt ihre Liebe zur Literatur. 1960 änderte sie aus Protest gegen die Massenvernichtung der Juden in der Nazizeit ihren Vornamen und legte sich den Vornamenpseudonym Sarah zu.

Als sie den fast gleichaltrigen Studenten Rainer Kirsch heiratet, ist ihr Künstlername komplett: Sarah Kirsch.

Erste Gedichte erschienen in diversen Zeitschriften und Anthologien ab 1960. Von 1963 bis 1965 studierte sie am Literaturinstitut Johannes R. Becher in Leipzig und legte auch hier ein Diplom ab. Als freie Autorin arbeitete sie danach in Halle/Saale und wurde im selben Jahr Mitglied im Deutschen Schriftstellerverband der DDR. Für den zu dieser Zeit gemeinsam mit ihrem Ehemann veröffentlichten ersten Gedichtband „Gespräche mit einem Saurier“ erhielten beide die Erich-Weinert Medaille. Bei dieser einen Auszeichnung blieb es nicht. In den Folgejahren bekamen sie zahlreiche Preise und Auszeichnungen. Ihre Veröffentlichungen fanden in der DDR und in der Bundesrepublik starke Beachtung.

Die Ehe währte acht Jahre. Nach der Scheidung zog Sarah Kirsch nach Ostberlin. Ihre klare Positionierung zum bestehenden Gesellschaftssystem brachten ihr vermehrt Schwierigkeiten in ihrer schriftstellerischen Tätigkeit. Als Erstunterzeichnerin auf der Protesterklärung gegen die Ausbürgerung des Schriftstellers und Liedermachers Wolf Biermann wurde sie 1976 aus der SED und dem Schriftstellerverband ausgeschlossen.

1977 siedelte Sarah Kirsch mit ihrem Sohn in die Bundesrepublik Deutschland über. Auch dort blieb sie eine fleißige Autorin, schrieb vordergründig Lyrik und Prosa und wurde weiterhin mit Preisen geehrt, darunter der wichtigste deutsche Literaturpreis, der Georg-Büchner-Preis der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung.

Der Name Sarah Kirsch steht für deutsche Dichtkunst großer Güte. Sie gilt als eine der erfolgreichsten schreibenden Frauen des 20. Jahrhunderts. Sich selbst treu bleiben, war ihr Lebensmotiv. Konsequent übte sie Kritik an gesellschaftlichen Missständen durch Naturbilder.
Ihre Werke erschienen seit 1980 in der Deutschen Verlagsanstalt (DVA). Verlagsleiter Thomas Rathnow sagte: „Mit dem Tod Sarah Kirschs verlieren wir, verliert die deutschsprachige Literatur eine ihrer wichtigsten, eigenwilligsten und poetisch kraftvollsten Stimmen.“ - von Gerald Eggert