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Handschriftenforscherin aus Israel im Stadtarchiv Halberstadt

"Die christliche Epoche des 12. Jahrhunderts hat es mir angetan", schwärmt die jüdische Handschriftenforscherin Prof. Aliza Cohen-Mushlin. Sie sitzt in den Magazinräumen des Stadtarchivs Halberstadt, und vor ihr liegen zwei Bände der Hamerslebener Bibel, von der es insgesamt fünf auf der ganzen Welt gibt.
Ihrem Blick ist zu entnehmen, dass es ihr schwerfällt, ihre Gedanken von den wertvollen historischen Dokumenten zu lösen, als Dr. Michael Haase, Fachbereichsleiter Kultur der Stadt Halberstadt, sie sehr herzlich in Halberstadt willkommen heißt und nach den Umständen fragt, die sie nach Halberstadt geführt haben.
Da sei zunächst das Biologiestudium gewesen, dann das Studium an der Kunstakademie und eine weitere akademische Ausbildung auf dem Gebiet der Kunstgeschichte, erinnert sich die in Israel geborene Wissenschaftlerin. Bei ihrer Doktorarbeit an der British Library habe sie eine lateinische Handschrift bearbeitet. Und diese haben die junge Forscherin in den 80er Jahren nach Deutschland und schließlich auch zum ersten Mal nach Halberstadt, in den Halberstädter Dom, zur Hamerslebener Bibel geführt.
"Ich habe mich schon damals in diese Bibel verliebt", erinnert sich die Professorin, die heute an der hebräischen Universität Jerusalem lehrt. Sie kann es noch gar nicht fassen, dass nun zwei Bände dieser historisch wertvollen Handschriften aus dem Sciptorium Hamersleben vor ihr liegen. Nie hätte sie geglaubt, dass sie so viele Jahre daran forschen werde. "Fortuna hat gelächelt", umschreibt sie es kurz.
Zum wiederholten Mal in Halberstadt, forscht Prof. Aliza Cohen-Mushlin nun im Stadtarchiv Halberstadt und ist  seit zwei Wochen damit befasst, die mehr als 1000seitigen Handschriften miteinander zu vergleichen. Gross ist ihre Freude über das Ergebnis, dass beide Schriften von jeweils zwei Schreibern verfasst worden sind, die identisch sind.
Prof. Aliza Cohen-Mushlin gehört zum Komitee der 80 Handschriftenkundler der Welt  und bestätigt den Halberstädtern, dass ihre Stadt "enorme historische Schätze" bewahrt. Sie ist der Meinung, dass zu wenige Forscher über diese Halberstädter Schätze wissen und möchte aus diesem Grund ein Projekt zur Herausgabe eines Kataloges der Handschriften der Gymnasialbibliothek unterstützen.
Als Direktorin des Zentrums für jüdische Kunst in Jerusalem ist die Wissenschaftlerin auch noch mit einer Vielzahl anderer Projekte befasst. Was ihr besonders am Herzen liegt, ist ein Forschungsprojekt, dass sie mit 300 deutschen Studenten seit 1994 betreibt. Hier geht es um die Recherche noch bestehender Synagogen oder deren Spuren in Deutschland - die bereits vorliegenden Ergebnisse sind enorm.
Ihre Vision: "Ich möchte versuchen, dieses Forschungsmodell auch auf andere Länder zu übertragen." Eines ihrer wichtigsten Anliegen ist es, junge Menschen für die Kulturen anderer Völker zu interessieren. Nur so könne man lernen, tolerant zu sein, und das sei heute wichtiger denn je, unterstreicht Prof. Aliza Cohen-Mushlin abschließend.