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Sonderausstellung - Ablass für den Petersdom und Reformation im Johanniskloster

In den Räumen 10 und 11 des Obergeschosses wird der schwierige und langwierige Prozess der Reformation in Hal-berstadt dargestellt, der bereits in den frühen zwanziger Jah-ren im Johanniskloster seinen Ausgangspunkt hatte, aber erst nahezu einhundert Jahre später unter Bischof Heinrich Julius seinen endgültigen Abschluss fand.
Im Raum 10 werden einführend eine Reihe sakraler Exponate vorgestellt, die die mittelalterliche Glaubenswelt symbolisieren. Glaube und Frömmigkeit waren feste Lebensbestandteile der spätmittelalterlichen Menschen, sie gehörten zu den Hauptbedürfnissen des täglichen Lebens. Wurde über eine Kommune ein Interdikt verhängt, das heißt, ihr für dessen Geltungsdauer jeglicher geistliche Beistand entzogen, kam dies in den damaligen Anschauungen der Menschen einer Katastrophe gleich. Sie waren in aller Regel zu vielen Zuge-ständnissen und Opfern bereit, um solch eine in ihren Augen auf Dauer „lebensbedrohliche“ Situation abzuwen-den, wie auch der Ausgang des „Halberstädter Pfaffenkrieges“ 1407 zeigt. Auf dieser Basis mittelalterlicher Frömmigkeit, also der Überzeugung für die Erlangung des Seelenheils auch Opfer bringen zu müssen, beruht auch das Funda-ment des Ablasshandels. Der Ablass versprach den Men-schen gegen Zahlung in klingender Münze den Nachlass ihrer zeitlichen Sündenstrafen, die entweder auf Erden oder im Fegefeuer zu büßen wären. Er begründet die Mög-lichkeit des Strafnachlasses mit den Verdiensten Christi und der Heiligen. Der Ablass wurde jedoch schon bald für die Kirche zu einer einträglichen Einnahmequelle.

Bildunterschrift 1: Heilige Katharina, Andachtsbild, 15. Jh.

Der Raum 11 ist sowohl dem Ablasshandel als auch der Reformation gewidmet und gewährt dem Besucher an Hand einer Vielzahl wertvoller historischer Zeitzeugen interessante Einblicke in diesen bewegten Abschnitt deut-scher Geschichte.
Der Beginn der Reformation fällt in die Regierungszeit des Kardinalerzbischofs von Magdeburg und Mainz, der als Administrator Albrecht V. neben den beiden Erzbistümern auch das Bistum Halberstadt als Nachfolger Ernst II. von 1513 bis 1545 regierte. Da er für die Übernahme des zweiten Erz-bistums (Mainz), die in der gängigen Kirchenpraxis durch-aus noch nicht alltäglich war, 30 000 Taler hatte zahlen müssen, war er schon am Anfang seiner Regierungszeit stark verschuldet. Der in dieser Zeit begonnene Neubau des Petersdomes in Rom (seit 1506) hatte den Ablasshandel besonders in Deutschland gewaltig aufblühen lassen. Albrecht V., der an diesem Handel partizipierte, war einer sei-ner eifrigsten Förderer. In der Ausstellung befindet sich neben vielen anderen Stücken, die einen direkten Bezug zum Kardinalerzbischof Albrecht aufweisen, eine sehr schöne aus Silber gegossene, im Jahre 1535 von Hans Reinhart in Leipzig geschaffene, Medaille mit dem Porträt Albrechts. Sie ist eine Leihgabe der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Münzkabinett Berlin.
Der ohne jedes Maß zunehmende Ablassschacher war der Stein des Anstoßes für die 95 Thesen des Augustiner-mönchs Martin Luther, mit deren Anschlag an der Schlosskirche zu Wittenberg er am 31. Oktober 1517 die Reformation auslöste.
Zu den wertvollsten Exponaten, die die Sonderausstellung aufzuweisen hat, gehört ein Porträt des Reformators Martin Luther von Lucas Cranach d. Ä., das nach 1528 entstand. Diese Leihgabe stellte die Stiftung Staatliche Schlösser und Gärten des Landes Brandenburg, Bildergalerie Potsdam, dem Städtischen Museum zur Verfügung.
Nachdem 1534 in Wittenberg bei Hans Lufft die erste vollständige Bibelüber-setzung Luthers erschien, ließen auch die Fürsten von Anhalt dort Bibeln drucken. 1541 beauftragten sie die Werkstatt von Lufft, einzelne Exemplare als repräsentative Ausgaben auf Pergament zu drucken. Die Holzschnitte wurden in der Werkstatt von Lukas Cranach koloriert und auf-wendig mit Blattgold ausgestaltet. Die sogenannte „Zerbster Prunkbibel“, eine Leihgabe der Stadtverwaltung Zerbst und des Zerbster Museums, ist ein weiteres Glanzstück des Ausstellungsabschnittes zur Reformation.
In Halberstadt ging die Reformation vom Johanniskloster aus, dessen Probst Dr. Eberhard Wiedensee (auch Weiden-see) sich entschieden auf die Seite Luthers stellte. Zwei Mönche aus seinem Kloster, Johannes Wissel und Hein-rich Gefferdes, predigten in der Martinikirche evangelisch. Obwohl schon bald die Bevölkerungsmehrheit der neuen Lehre anhing, gab sich der Kardinalerzbischof Albrecht (seit 1518) nicht geschlagen. Es wurden alle evangelischen Prediger mit Gewalt aus der Stadt vertrieben. Die Entwicklung war aber trotz aller Restriktionen nicht mehr umzukehren, und so ließ sich der ständig in Geld-not befindliche Albrecht schließlich im Jahre 1540 von den Halberstädtern für 200 000 Goldgulden das Recht der freien Religionsausübung abkaufen.