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Restaurierung der Kehr-Büste: Kosmetik an einem klugen Kopf

Geradezu als Zielscheibe einladend stand das Denkmal im Frühsommer des Jahres 1945 in der Halberstädter Plantage. Die amerikanischen Besatzungssoldaten machten sich dann auch einen Spaß daraus, die auf einem etwa zwei Meter hohen, schlanken Steinsockel stehende Büste zu beschießen. Sie trafen gut. Nase und Stirn des Kopfes zeigten tiefe Narben. Wem ihre Schießübungen galten, war ihnen sicher unbekannt. Sie wussten nicht, dass das Wirken des mit einem Denkmal geehrten Mannes gut 60 Jahre zuvor auch amerikanische Pädagogen zu einem Besuch in Halberstadt veranlasste. Wer war der Mann, dessen steinernes Bildnis im Auftrage des Halberstädter Geschichtsvereins wieder in Stand gesetzt wird?
1778 entstand in Halberstadt das Domkapitularische Lehrerseminar, das zunächst im Lichtengraben 17 untergebracht war. Später wurde es dann als Königliches Lehrerseminar vom preußischen Staat übernommen.
Die Ausbildungsstätte für Lehrer wurde auf Initiative von Christian Gottfried Struensee und Friedrich Eberhard von Rochow mit maßgeblicher Unterstützung des Domdechanten Ernst Ludwig Christoph Spiegel zum Desenberg gegründet.
Knapp 100 Jahre später,1873, war die Stelle des Seminar-Direktors wieder einmal neu zu besetzen. Die Wahl des preußischen Kultusministers Dr. Falk fiel auf einen vielversprechenden Seminar-Inspektor aus Gotha, den damals 43jährigen Carl Kehr.
Sie erwies sich als richtig. Kehr gelang die Neuorganisation der Halberstädter Lehrerbildungsanstalt in nur 12 Monaten so vortrefflich, dass aus ganz Deutschland, dem europäischen Ausland und aus den USA Pädagogen anreisten, um bei ihm zu hospitieren. Für seine Verdienste erhielt der „pädagogische Schriftsteller“ Carl Kehr 1874 die Ehrendoktorwürde der Universität Jena. Eine außerordentliche Auszeichnung für den aus „kleinen Verhältnissen“ stammenden Nichtakademiker. Neun Jahre später wurde ihm als erster Pädagoge der Titel „Schulrat“ verliehen. Die Ehrung war allerdings mit dem Ruf nach Erfurt verbunden, um das dortige Lehrerseminar zu leiten.
Doch schon am 18. Januar 1885 verstarb Carl Kehr im Alter von nur 54 Jahren.  Er fand seine letzte Ruhestätte in Gotha, in dessen Nähe sein Geburtsort, Goldbach, liegt.
Genau ein Jahr nach seinem Tode wurde in Halberstadt ein Denkmal aufgestellt. Eben der von der deutschen Lehrerschaft gestiftete Gedenkstein mit hohem Sockel und der Büste des hoch geschätzten Pädagogen. Sie wurde in der Plantage in der Nähe des 1867 errichteten Seminargebäudes der heutigen Polizeiinspektion platziert.
Die 1945 beschädigte Büste wurde in den Kreuzgang der Liebfrauenkirche gebracht.
Der Sohn des damaligen Hausmeisters, Ulrich Werner, erinnerte daran, dass in der Stirn der Steinbüste noch das Projektil eines Einschusses steckte. Später fand das Kehrdenkmal einen Platz auf der Rasengeviert des Kreuzganges.  Noch heute ist der Fundamentrest des Sockels zu sehen.
Wann die Büste abermals ihren Standort wechselte, ist nicht bekannt. Sie stand dann viele Jahre im Garten des Städtischen Museums.
Der Geschichtsverein für Halberstadt und des nördliche Harzvorland e.V., gleichzeitig Förderverein des Städtischen Museums, beauftragte nun den Steinmetzbetrieb Zimmer mit der Restaurierung der Kehr-Büste. Die Narben im Gesicht sollen beseitigt und der Stein gereinigt werden.
Auf einem kleinen Sockel wird die Büste Dr. Carl Kehrs nach der Restaurierung wieder vor dem Museum aufgestellt und in dessen 120. Todesjahr 2005 in unversehrtem Zustand an ein bedeutendes Stück Halberstädter Bildungsgeschichte erinnern.