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Eröffnung der IBA am 11. April 2010

Entdecke die Le re - Eröffnungsrede auf der IBA 2010 von Professor Christiane Thalgott München im April 2010

1. Dank und Begrüßung

Als erstes möchte ich mich bei Herrn Oberbürgermeister Henke für die Einladung zur Eröffnung der Ausstellung sehr herzlich bedanken und alle Besucherinnen und Besucher - auch im Namen der IBA - an diesem interessanten aber kühlen Ort, sehr herzlich begrüßen. Es ist mir eine große Ehre, und macht mich stolz, für diese große altehrwürdige Stadt als IBA Patin des IBA-Beirats zu Ihnen sprechen zu dürfen. Allen, die mich mit Halberstadt und dem IBA Thema " Entdecke die Le re" vertraut gemacht haben, sei besonders gedankt: Frau Dr. Beeck, Frau Ruprecht, Herrn Peschken, Herrn Schöne.

 

2. IBA2010 und die Stadt Halberstadt

 Vor 8 Jahren hat sich Halberstadt mit den anderen 18 IBA Städten auf den Weg gemacht der Realität der Schrumpfung in die Augen zu sehen. Für die eigene Stadt die richtigen Ziele für die Zukunft zu finden, war das Thema. Das Klagen über die unwiederbringlichen großen Verluste durch Krieg und die Plattenbauzeit mussten zu neuem Sehen und produktivem Handeln gewendet werden. Die versprochenen blühenden Landschaften entstanden nicht von alleine. In den gemeinsamen Gesprächen mit den Ministerien und den anderen Städten wurden Chancen und Möglichkeiten diskutiert und Maßnahmen vereinbart.

 

3. Paradigmenwechsel

 Der Paradigmenwechsel von: größer -höher -weiter -mehr, zu: weniger und kleiner, vom Wachsen zum Bewahren, muss erkannt und gelebt werden. "Weniger ist Zukunft" ist deshalb ein richtiges und kluges IBA2010 Motto. Ich weiß, dass das Steuern von Reduktion und Verkleinern viel schwieriger ist als das Planen und Steuern von Wachstum. Fehler sind nicht durch den nächsten Schritt zu korrigieren, dafür fehlt die Substanz. Es gibt nichts zu verteilen, um Wünsche zu erfüllen.

 

4. Akzeptanz und Erkenntnis

 Am Anfang steht das Akzeptieren der Verluste von Menschen, Häusern, Stadtquartieren und (vielleicht am schwierigsten) Bedeutung durch den Krieg und die 50 Jahre danach. Es ist so und kann nicht ungeschehen gemacht werden, weder die Leere in der Mitte, noch das Wachstum am Stadtrand. Nur die Versöhnung mit der Vergangenheit lässt die Chancen für die Zukunft sichtbar werden und die heutigen Qualitäten erkennen: Die historischen Bauten und Plätze. Die lebendige Stadtmitte mit der Versöhnung von alt und neu. Die Chance die innerstädtischen Ergänzungen nach heutigen Bedürfnissen zu gestalten. Mut statt Kleinmut der Menschen wie es das Cage- Projekt oder das neue Haus für den Domschatz zeigen.

 

5. Kultivierung der Leere

Nicht zuletzt zeigt Ihr IBA Thema "Kultivierung der Leere" Mut. Es ist ein spirituelles und ein räumliches Thema, eine Denk- und Sehschule. Die Leere wird als Möglichkeit gesehen, nicht als Verlust. Mit neuen, anderen, auch kurzfristigen, Nutzungen wird ein neuer Blick auf die Orte geübt. Das ist erfolgreich geschehen: am Domhang, am Heineplatz, am Abtshof und gerade jetzt hier im alten Schwimmbad. Und NRW macht Ihnen die Sehschule nach.

 

6. Chancen des Neuen

Jede Generation muss die Welt für sich neu entdecken, und eigene Bilder schaffen für ihre Träume und Ziele. Dafür darf der Blick nicht durch die Bilder der Vergangenheit verschleiert und verstellt sein. In der Musik und Kunst, aber auch in der Mode, ist uns das selbstverständlich. Niemand erwartet, dass heute ein Maler oder Bildhauer wie vor 100 Jahren gestaltet, oder dass die neue aufregende und schöne Musik, die wir heute hörten, besser altbacken klingen sollte. Bei Gebäuden und Stadtquartieren tun wir uns schwer Neues, Ungewohntes zu akzeptieren. Da geht es uns oft wie dem Indianer in der folgenden kurzen Geschichte: er reist das erste Mal im Leben aus den weiten Wäldern nach New York; als er wieder zu Hause in seinem Wigwam sitzt, glücklich zurückgekehrt, fragen ihn die Daheimgebliebenen: "Was hast du gesehen?" Und er antwortet: "Keine Bäume!" Denn wir sehen nur was wir kennen. Aber um die Zukunft zu gewinnen, muss Neues entstehen; denken Sie an Ihre Vorfahren, die den Dom bauten, und nur kleine Häuser kannten; oder an den wunderschönen Wörlitzer Park, der damals ganz ungewöhnlich war.

 

7. Das Alte Schwimmbad als Le(h)r- Ort


Heute baden und waschen wir uns alle zu Hause und treiben Sport im neuen größeren Bad, so blieb das alte Schwimmbad leer von alter Nutzung, und eröffnet damit eine Fülle von Möglichkeiten. Die besondere Atmosphäre und die vielen Erinnerungen machen es zu einem guten Denk- und Lehrort für die Zukunft der Stadt. Hier kann man betrachten, was schon geschehen ist und was noch geschehen könnte. Ich finde die Ausstellungsmacher, Musiker und Tänzer dieser Eröffnungsfeier haben uns da den Blick mit Hilfe ihrer Kunst geöffnet, vielen Dank dafür.

 

8. Schluss

Ich wünsche Halberstadt viel Glück beim Weiterbauen, beim Nutzen der Chancen der Leere am Domhang, aber auch mit der attraktiven Nutzungsverdichtung in der neu gefüllten Mitte und am Abtshof; und Glück mit der zukünftigen Leere am Rand, wo Landschaft an Fülle zunimmt, wenn abzureißende Häuser Leere hinterlassen. Ziehen Sie den Schleier der Vergangenheit weg und ergreifen Sie die Chancen, die in der Leere für die Zukunft liegen.