Presse

Home

Von Byzanz bis Norwegen


Vor zwei Wochen fand in Halberstadt zum ersten Mal das "Forum Kunst des Mittelalters“ statt. Die Organisatoren waren vom sensationellen Zuspruch überrascht: Annähernd 100 Beteiligte aus 14 Ländern, von Russland bis in die USA, kamen eigens nach Halberstadt.


Gut 400 Teilnehmer sorgten dafür, dass zwischen den verschiedenen Tagungsorten im Herzen der Stadt um Domplatz und Liebfrauenkirche ein reges Treiben herrschte und die Vortragsräume zum Teil aus allen Nähten platzten.

Die außerordentliche Resonanz in Halberstadt bestätigte die Veranstalter eindrucksvoll in ihrer Ansicht, dass sich die Kunstgeschichte in den letzten Jahrzehnten zwar mit großer Kraft zunehmend der Kunst des 20. Jahrhunderts zugewendet hat, die mittelalterliche Kunst dadurch aber auf den großen kunsthistorischen Kongressen eher ein Schattendasein fristete. Der Kongress ermöglichte nun erstmals einem großen deutschen und internationalen Fachpublikum, sich über die Grenzen ihrer Fachgebiete hinaus zu vernetzen und an vier Tagungstagen die neuesten Forschungsergebnisse auszutauschen. Ob sakraler Schmuck in Frauenklöstern, die aufwendigen Kleider der Könige, Fürsten und kirchlichen Würdenträger, spektakuläre Mittelalter-Ausstellungen, die Kunst und Diplomatie am englischen Königshof, der künstlerische Austausch des Heiligen Römischen Reichs mit England auf dem Hintergrund politischer, dynastischer und wirtschaftlicher Beziehungen, die reiche Kunst der Buchmalerei im 13. Jahrhundert, sakrale Schatzkunst oder die Astrologie am Prager Königshof - das Publikum erhielt einen reichhaltigen und dichten Überblick über aktuelle Themen einer lebendigen Mittelalterforschung.

Ausgehend vom Veranstaltungsort Halberstadt lag der Schwerpunkt der Tagung auf der Kunst des 13. Jahrhunderts, die in Halberstadt und im nördlichen Harzvorland zahlreiche hochbedeutende Zeugnisse hinterlassen hat. Die Veranstalter machten dabei auch die Stadt und ihre Denkmäler selbst zum Thema: So widmeten sich eigene Sektionen direkt vor Ort dem Dom und seiner Ausstattung sowie der Liebfrauenkirche mit ihren berühmten Chorschranken und dem immens reichen Domschatz, der seit wenigen Jahren in einer spektakulären Neuaufstellung Besucher aus dem In- und Ausland anlockt.

Der Kunst des Harzvorlandes widmete sich auch Bernd Nicolai (Bern), der in einem Festvortrag zum Grabmal Heinrichs des Löwen und seiner Frau Kunigunde im Braunschweiger Dom unser Wissen zu diesem außergewöhnlichen Werk analysierte. Mit diesem Vortrag wurde weiteres Neuland betreten, denn das New Yorker International Center of Medieval ICMA förderte damit erstmals einen Vortrag im deutschsprachigen Raum. Weitere internationale wissenschaftliche Einrichtungen organisierten Sektionen und förderten die Tagung, darunter unter anderem das Geisteswissenschaftliche Zentrum Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas GWZO (Leipzig) und die Abegg Stiftung (Riggisberg, Schweiz), so dass die Tagung zu einem Spiegel aktueller Forschung über die Gattungsgrenzen hinweg wurde.

Thomas Labusiak, als Kustos der Domschätze in Halberstadt und Quedlinburg Hüter ihrer Kunstwerke, zeigte sich besonders erfreut über den Erfolg der Tagung: „Für viele Kolleginnen und Kollegen - vor allem aus dem Ausland - war es der erste Besuch in Halberstadt. Ich bin mir deshalb sicher, dass mit dem ‚Forum Kunst des Mittelalters‘ das Interesse an der mittelalterlichen Kunst in Halberstadt international nachhaltig ins Bewusstsein gerückt wird.“

Gerhard Lutz (Hildesheim), der die Tagung zusammen mit weiteren Wissenschaftlern aus dem In- und Ausland initiiert und vorbereitet hatte, ist sich sicher, dass mit dieser Tagung nicht nur eine Marktlücke getroffen, sondern vor allem auch die ungebrochene Lebendigkeit der Mittelalterforschung eindrucksvoll vor Augen geführt wurde. „Mittelalterthemen sind gerade in den letzten Jahren durch viele zum Teil spektakuläre Ausstellungsprojekte wieder stärker ins Zentrum der öffentlichen Wahrnehmung gerückt. Dazu soll die kunsthistorische Mediävistik im Rahmen des Forums auch in Zukunft einen gewichtigen Beitrag leisten.“

Organisiert wurde das Forum vom Deutschen Verein für Kunstwissenschaft e.V., der sich in seiner 103jährigen Geschichte vor allem auf die Herausgabe von wissenschaftlichen Publikationen beschränkt hat. Wolfgang Augustyn (München), erster Vorsitzender des Vereins, sieht mit dem Forum deshalb eine neue Zeitrechnung für den Verein beginnen: „Besonders erfreulich ist die Teilnahme zahlreicher Studierender und junger Kolleginnen und Kollegen, die wir auf diese Weise für die Arbeit unseres Vereins begeistern möchten.“ Auch in den Augen von Martin Hoernes (Berlin), dem stellvertretenden Generalsekretär der Kulturstiftung der Länder, ist das neue Forum - „ein seit langem fehlendes ‚mediävistisches Familientreffen’, - der ideale Ort, um wissenschaftlichen Austausch und Grundlagenforschung zur Bewahrung unseres kulturellen Erbes zusammenzubringen.“ Dies war auch der Grund, warum die Kulturstiftung der Länder, neben dem Land Sachsen-Anhalt, durch ihre Förderung entscheidend zum Gelingen der Veranstaltung beigetragen hat.

So waren sich alle Beteiligten zum Schluss darin einig, dass die Halberstädter Zusammenkunft Auftakt für weitere Veranstaltungen sein soll. Das zweite Forum ist für September 2013 in Freiburg im Breisgau geplant.


Weitere Informationen:
www.mittelalterkongress.de
www.dvfk-berlin.de

Gerhard Lutz


  • Christusteppich im Halberstädter Dom