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Gutachten zur Haushaltskonsolidierung vorgelegt - Politischer Sprengstoff, harte Einschnitte für die Mitarbeitenden und Bürger

Nach Ausschreibung und Auswahlverfahren ist die BSL-Managementberatung Ende Oktober 2010 von der Stadt Halberstadt beauftragt worden, einen Bericht zur langfristigen Konsolidierung des Haushaltes der Stadt Halberstadt zu erstellen. Reinhold Lock (BSL) stellte diesen Bericht gestern (14. April 2011) im Stadtrat vor.


„Die Ergebnisse werden Entsetzen auslösen. Die Situation der Stadt Halberstadt ist so desaströs, dass es leider zu diesen schmerzhaften Schritten keine Alternativen gibt", so die einführenden Worte des Managementberaters Lock.
Seit 2003 gibt es keinen genehmigten Haushalt. Die Stadt Halberstadt befindet sich seitdem in der vorläufigen Haushaltsführung. Der Haushaltsplanentwurf der Stadt Halberstadt für das Jahr 2010 weist ein hohes strukturelles Defizit aus: 8,69 Mio. EUR.


Haushaltskonsolidierung ist gesetzliche Pflicht, wenn der Haushalt nicht ohne weiteres ausgeglichen werden kann. Der Stadtrat hat daher in 2010 den Beschluss gefasst, die Haushaltskonsolidierung mit externer Unterstützung voranzutreiben. Die Kommunalaufsicht hat dieses Vorgehen wohlwollend zur Kenntnis genommen.


Haushaltskonsolidierung ist eine sehr anspruchsvolle Aufgabe, die im Ergebnis mit harten Einschnitten für die Mitarbeitenden und Bürger verbunden sein wird. Im Vordergrund sollten gesamtstädtische statt Partikularinteressen stehen. Alle Besitzstände sind infrage zu stellen. Die Stadt muss dabei zukünftig eine Balance finden zwischen Attraktivität, sozialer, ökologischer und wirtschaftlicher Nachhaltigkeit auf der einen Seite und den vorhandenen Ressourcen (lokale Wirtschaft, Bürgerschaft, Organisation, Personal und Finanzen/ Vermögen sowie natürliches Umfeld) auf der anderen Seite.


Im Bericht wurden insgesamt knapp 90 Maßnahmen vorgestellt. Durch die vorgeschlagenen Maßnahmen wird der Fehlbetrag bis Ende 2014 auf 2,56 Mio. EUR abgebaut. Bis Ende 2019 sind knapp 70 Stellen abzubauen und insbesondere freiwillige Leistungen auf ein finanzierbares Maß zu reduzieren. Es reicht allerdings laut Bericht nicht aus, um den Fehlbetrag auf Null zu reduzieren. Es sind weitere Anstrengungen notwendig, um das Defizit bis Ende 2019 auszugleichen.


Reinhold Lock unterstrich während seiner Ausführungen, dass die Stadt kein Ausgabenproblem habe. „Da bewegt sich Halberstadt sich bereits auf unterem Niveau." Und er erwähnte auch, dass sich die Stadtverwaltung fast durchgängig im unteren Bereich in der Personalausstattung bewege. Die Stadt habe in erster Linie ein Einnahmenproblem. In diesem Zusammenhang verwies Lock unter anderem auf fehlende Steuereinnahmen, Gebühren oder Erlöse aus Verkäufen.
Von „politischem Sprengstoff" sprach der Managementberater mit Blick auf die Vorschläge zur Abschaffung der Straßenbahn, zur drastischen Zuschussreduzierung für das Theater, zur Schließung von Kindereinrichtungen, zur Abschaffung der Ortschaftsräte oder zum Verkauf des Halberstädter Sees, um nur einige Beispiel zu nennen.


Der demografische Wandel hat erhebliche Auswirkungen auf den Umfang der Aufgaben, des Personals und der Finanzen. Die Stadt Halberstadt gehört nach Bertelsmann Stiftung in den Demographietyp 4. Charakteristisch ist eine stark rückläufige und deutlich älter werdende Bevölkerung. Damit verbunden sind selektive Abwanderungen der jungen Bevölkerung. Sie verschärfen die Situation der Stadt erheblich: Die Pro-Kopf-Aufwendungen steigen, d.h. immer weniger Einwohner finanzieren die städtischen Leistungen beziehungsweise bestimmte städtische Verwaltungs- und Infrastrukturleistungen müssen unabhängig von der Einwohnerzahl vorgehalten werden.


Die Konsolidierung des Haushalts erfordert schnelles Handeln. Sofort nach dem Projektabschluss ist mit der Phase der Umsetzung zu beginnen. Von den Beratern wird empfohlen, hierzu kurzfristig einen Grundsatzbeschluss über die Ergebnisse des Haushaltskonsolidierungsprojektes und den Startschuss zur Umsetzung herbeizuführen. Für den Umsetzungsprozess soll ein Zentrales Konsolidierungsmanagement (ZKM) mit verschiedenen Arbeitsgruppen etabliert werden. „Wenn es jetzt nicht einen Grundsatzbeschluss für das Gesamtpaket gibt, ist der Prozess für Halberstadt für die nächsten Jahre zum Scheitern verurteilt", schloss Reinhold Lock seine Ausführungen zur Vorstellung des Gutachtens zur Haushaltskonsolidierung.


Im Anschluss an die Präsentation richtete sich Halberstadts Oberbürgermeister Andreas Henke mit folgenden Worten an Rat, Verwaltung und Bürgerschaft:
„Wenn sich - wie in der Präsentation dargestellt - trotz umfangreicher, harter und einschneidender Maßnahmen das angestrebte Konsolidierungsziel noch nicht erreichen lässt, und selbst wenn das Difu (Deutsches Institut für Urbanistik) ein anerkanntes Institut, das sich mit Fragen der Stadtentwicklung befasst, nach einer Studie feststellt, dass ein Großteil der Kommunen der Städte und Gemeinden in der Bundesrepublik aus eigener Kraft nicht in der Lage sein werden, langfristig ihre Hauhalte auszugleichen und zur Entschuldung zu kommen, dann offenbart es die Dramatik. Es weist zwar auf eine Option hin, die möglicher Weise Bund- und Länderpolitik aufgreifen kann, aber es befreit uns erstmal nicht von der Pflicht und selbst mit aller Ernsthaftigkeit und auch Verantwortungsbewusstsein, sich diesen notwendigen Aufgaben zu stellen.


Gleichwohl müssen wir beides im Blick haben: Die Lebensqualität und gebotene Attraktivität, für die jetzt hier in Halberstadt und in den Ortsteilen Lebenden aber auch den Blick für die künftigen Generationen oder die jüngsten unter uns, die dann nämlich mit den Folgen unserer Entscheidungen zu leben haben. Ich möchte es mal fast lapidar sagen: Wer heute baden will, muss möglicherweise, später die Folgen ausbaden. Sie, die künftigen Generationen, haben mit den Folgen unserer Entscheidungen, mit den Folgen unseres Tuns aber auch mit den Folgen unseres Unterlassens zu leben.


Die Frage, wem wir ab sofort was oder wie viel zumuten, das will ich mit einer kleinen Anekdote untermauern. Nasredin - eine türkische Figur - kaufte einen Esel. Der Esel starb, weil er ihm aus Spargründen immer weniger zu fressen gab.
Und das ist für uns die spannende Frage: Wer oder was ist in Halberstadt, ist in den Ortsteilen unser Esel und was oder wie viel muten wir ihm zu. Aber zurück zum ernst der Lage.


Sie haben möglicherweise auch jetzt im Verlauf der Präsentation festgestellt, dass es in der Sicht, in der Betrachtungsweise von BSL und partiell von Vertretern der Verwaltung, der Verwaltungsspitze beziehungsweise aus dem Bereich der NOSA in der einen oder anderen Frage Differenzen gibt. Diese Differenzen müssen zweifellos einer sachlichen und fachlichen Beurteilung unterzogen werden. Aber ich sage schon jetzt nur mit Blick auf die NOSA: Selbstverständlich - und auch da wird mir Herr Kagelmann zustimmen - ist es möglich, aus dem Bereich der NOSA eine Gewinnabführung an die Stadt zu machen. Aber nur dann, wenn vorher gefasste Beschlüsse des Rates zurück genommen werden. Aber dann auch mit aller Konsequenz. Ich denke an das Stadion. Ich denke an die ungedeckten Sportanlagen und natürlich auch an den Öffentlichen Personennahverkehr. Denn das wären dann Dinge, die wir in aller Konsequenz mit allen Folgen - so wir es denn auch können - aus dem städtischen Haushalt zu tragen hätten. Ebenso wie alle anderen hier gemachten Vorschläge. Und wie in der letzten Projektgruppensitzung angefragt, ob denn die Verwaltung nicht erstmal die Vorschläge auf Machbarkeit überprüfen sollte, lautete meine Antwort: Sie sind machbar, sie sind umsetzbar. Wir müssen nur wissen, ob wir es wollen und wem wir hier was zumuten. Aber, dass sie nicht machbar sind, das kann ich von Vornherein ausschließen.


Wir haben insofern in der letzten Projektlenkungsgruppe am vergangenen Montag Einigkeit darüber erzielt, dass wir heute diese Präsentation zur Kenntnis nehmen. Und ich denke, den meisten, die es heute zum ersten Mal gehört und gesehen haben, geht es so wie uns am Montag auch. Es ist doch in der Tat schon sehr erschlagend, wenn nicht ernüchternd. Nichts desto trotz werden wir im Mai eine Sondersitzung der Rates einberufen und vorbereiten. Es steht die Frage, ob der Rat dann in dieser Sondersitzung zu einem hier vorgeschlagenen Grundsatzbeschluss kommt, der alles dann mit einmal sofort festzurrt oder ob wir in das hier vorgeschlagene Konsolidierungsmanagement einsteigen unter der Dreierführung Oberbürgermeister, Fachbereich Innere Verwaltung und Fachbereich Finanzen mit entsprechenden Arbeitsgruppen, die dann auch sofort die Tätigkeit aufnehmen, die hier gemachten Vorschläge auf Machbarkeit und auf Umsetzbarkeit mit allen Folgen prüfen und uns dann beauftragen, dementsprechende Beschlussvorlagen für die nächste Stadtratssitzungen zeitnah vorzubereiten.


Dennoch ist abschließend noch einmal zu betonen unsere Zielstellung muss es ein, zu einem genehmigungsfähigen mit Konsolidierungskonzept zu kommen und das heißt nun mal. Am Ende der Ausweis einer Null. Nur dann haben wir die Möglichkeit, in das kommunale Entschuldungsprogramm des Landes einzusteigen, nur dann haben wir die Möglichkeit, für notwendige Fragen der Investitionen in der Stadt Halberstadt und in den Ortsteilen wieder Fördermittel zu bekommen, eine freie verfügbare Spitze im Haushalt zu bekommen und - auch das dürfen wir nicht aus dem Blick verlieren - haben wir immerhin noch zwei offene unbearbeitete Anträge auf Bedarfszuweisung beim Landesverwaltungsamt liegen. Vielen Dank!"


Betroffenheit war in den Gesichtern der Stadträte abzulesen, eine Diskussion zum Gutachten war in dieser Stadtratssitzung nicht vorgesehen, so dass der nächste Tagesordnungspunkt aufgerufen wurde.

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