Presse

Home

Reiterattacke bei Gravelotte auf dem Halberstädter Domplatz – Blick zurück in das Jahr 1870/71

 Am Sonntag, 19. September 2010, 15.00 Uhr, wird der  Kranz-Renn-Verein Westerhausen auf dem Halberstädter Domplatz die Reiterattacke bei Gravelotte im Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71, an der Halberstädter Kürassiere beteiligt waren, nachstellen. Darüber hinaus präsentiert der verein eine Reiterschau.

"Nur ein klanglos Wimmern, ein Schrei voller Schmerz", so beginnt die sechste Strophe des Gedichtes von Ferdinand Freiligrath, "Die Trompete von Gravelotte". Es berichtet vom "Todesritt der Halberstädter Kürassiere" am 16. August 1870. Die Attacke war eine der letzten großen Reiterschlachten der Militärgeschichte und kennt verschiedene Ortsbezeichnungen, Gravelotte, Vionville und Mars la Tour. Sie war für den Ausgang des "Deutsch Französischen Krieges" von großer Bedeutung.

Seit Anfang der 1990iger Jahre ist dann auch wieder ein Stück Geschichte dieser Zeit in den Ausstellungen des Städtischen Museums Halberstadt zu sehen, die durchschossene Trompete des Kürassiers August Binkebank, das Gedicht zu dieser  Geschichte von Freiligrath durfte über Jahrzehnte in keinem deutschen Schullehrbuch fehlen.

Es gehört wohl zu den größten Verdiensten des ersten Bundeskanzlers der Bundesrepublik Deutschland, Konrad Adenauer und des Präsidenten der Republik Frankreich, Charles de Gaulle, sich an die Spitze derer zu stellen, die nach dem Zweiten Weltkrieg um eine Aussöhnung zwischen den beiden Ländern im Herzen Europas bemüht waren. Eine Entwicklung, die schon 1950 einsetzte und mit dem Élysée - Vertrag von 1963 quasi institutionalisiert wurde.

Über Jahrhunderte, seit der Teilung des karolingischen Reiches, war das anders, bestimmten Auseinandersetzungen die gegenseitigen Beziehungen, es war sogar von "Erbfeindschaft" die Rede.

Dem schon früh zentralisierten und dadurch starken Frankreich gelang es über lange Zeit sich als europäische Hegemonialmacht zu behaupten und Einfluss auf die Geschicke der Nachbarstaaten zu nehmen. Dies änderte sich im Bezug auf den östlichen Nachbarn erst, als es Preußen gelang, sich als führende Macht innerhalb der deutschen Länder zu etablieren. Voraussetzung war, Österreich auszuschließen und damit eine Reichseinigung als so genannte "kleindeutsche Lösung" herbeizuführen. Vorausgegangen war der Krieg Österreichs und Preußens gegen Dänemark 1864 und nachfolgend der "Deutsch-Deutsche Krieg" von 1866, in dem Preußen über Österreich siegte. Standen die anderen deutschen Länder in dieser Auseinandersetzung noch auf verschiedenen Seiten, gelang es Preußen die Mehrheit der Länder im "Deutsch - Französischen Krieg", dem dritten "Einigungskrieg" 1870/71 hinter sich zu vereinen. Erreicht hatte das Otto von Bismarck durch eine verkürzt und im verschärften Ton wiedergegebene Version der "Emser Depesche", es ging dabei um den von Frankreich geforderten Verzicht eines Hohenzollernprinzen auf die spanische Krone, mit der er Napoleon III. zur Kriegserklärung an Preußen brachte.

Auch die Halberstädter Kürassiere, Magdeburgisches Kürassierregiment Nr. 7 mit der Ehrenbezeichnung von Seydlitz, rückte in Richtung Frankreich aus. Teile des Regimentes waren von 1817 bis zur Auflösung 1919 in Halberstadt stationiert. Die Kürassiere trugen weiße Uniformen mit gelber Paspelierung.

Am 16. August stieß das III. preußische Armeekorps unter Generalleutnant von Alvensleben auf die französische Rheinarmee. Der preußische Angriff lief sich aufgrund der Übermacht des Gegners fest. In dieser Situation sollte die Brigade Bredow eine Entlastungsattacke führen. Major Maximilian Graf von Schmettow führte den Angriff der Reiterei aus Halberstädter Kürassieren und Altmärker Ulanen.

Freiligrath beginnt sein Gedicht mit:

 

Sie haben Tod und Verderben gespien,

Wir haben es nicht gelitten.

Zwei Kolonnen Fußvolk, zwei Batterien,

Wir haben sie niedergeritten

 

Als der Trompeter August Binkebank das Trompetensignal "Sammeln" geben sollte, versagte das Instrument fast seinen Dienst, es war durchschossen worden. Dem Signal konnten ohnehin nur wenige Männer folgen, das Gros der Truppe war tot oder verletzt auf dem Schlachtfeld geblieben.

 

Doch ein Blutritt war es, ein Todesritt,

Wohl wichen sie unseren Hieben,

Doch von zwei Regimentern, was ritt und stritt,

Unser zweiter Mann ist geblieben

 

Mit der Reiterattacke wurde das militärische Ziel erreicht. Die Franzosen stellten ihre Absetzbewegung ein, zogen sich auf Metz zurück. Dort wurden sie nach der Schlacht von St. Privat eingeschlossen und kapitulierten am 27. Oktober 1870.

Die Reaktion in der Heimat auf den "Opferritt" der Kürassiere war groß und lässt sich nur verstehen, wenn man bedenkt, dass mit diesem Krieg eine Reichseinigung, die Schaffung eines Nationalstaates in greifbare Nähe gerückt war. Tatsächlich wurde der Preußenkönig Wilhelm I., am 18. Januar 1871 im Spiegelsaal von Versailles als  "Kaiser Wilhelm" zum Repräsentanten des Deutschen Reiches, einem Bundesstaat ausgerufen. Bismarck, der "Architekt" der Reichseinigung "von oben" ist auf dem bekannten Gemälde Anton von Werners, der "Kaiserproklamation" in der Uniform der Halberstädter Kürassiere zu sehen, dessen Ehrenchef er war.

August Binkebank, der letzte verfügbare Trompeter der Formation, büßte in diesem Einsatz seine Gesundheit ein und musste den Dienst quittieren. Die Zeitschrift "Die Gartenlaube" sucht 1873 für ihn eine Stelle. Rittergutsbesitzer Dietze beschäftigt den "brustkranken" Invaliden auf seinem Gut bei Grimma. Der "Hallesche Courier" sammelt die stattliche Summe von 608 Talern und zwanzig Reichsgroschen für den

Helden von Gravelotte. Aber schon im Jahre 1879 starb Binkebank im Alter von nur 34 Jahren.

Am 8. Mai 1994 wurde im Städtischen Museum Halberstadt ein Zinnfigurengroßdiorama aufgestellt, das die Szene der Reiterattacke an jenem 16. August 1870 nachstellt. Zu Gast war auch der Bürgermeister, Leon Müller, der Gemeinde Gravelotte nahe Metz, in dem noch ein Museum an den Krieg von 1870/71 erinnert. Exponate wurden ausgetauscht, französische Militaria sind in Halberstadt - deutsche in Gravelott zu sehen. Die Verbindungen sind nicht abgebrochen. In Gravelotte soll in nächster Zeit eine über 2000 m² große Ausstellung zu den Kriegen von 1870/71 und 1914/18 entstehen. Wieder sind Exponate und Kopien aus Halberstadt nach Frankreich gelangt, die dort an eine feindselig kriegerische, Gott sei Dank vergangene Epoche zwischen den beiden Nachbarn dies- und jenseits des Rheins erinnern.

 

Der Kranz Renn Verein Westerhausen, der seinen Ursprung auf das erste Kranz-rennen auf der Quedlinburger Naturhindernissrennbahn im Jahre 1890 zurückführen kann, die 1869 von den in Quedlinburg stationierten Kürassieren angelegt wurde, ist 2004 neu gegründet worden. Der Verein hat in den letzten Jahren eine Anzahl von Uniformen der Seydlitzkürassiere nacharbeiten lassen und wird nun erstmals in Halberstadt an diese Reiterformation und deren Einsatz vor Metz 1870 erinnern.

Am 19. September um 15.00 Uhr erfolgt die Aufstellung der Traditionsvereine

und der Einmarsch der Reiter in den Uniformen der Seydlitzkürassiere. Es folgen mehrere Vorführungen und Aktionen. Für die notwendige Musik sorgt der Spielmannszug Harsleben.

 

                                                                                  Armin Schulze / Städtisches Museum